Meine härteste Nuss - „Der Nussknacker“ in der Oper Leipzig bis zum 26. Dezember 2016
Anmerkung der Autorin: Ich bitte zu beachten, dass es sich hierbei um meine persönliche Meinung und Erfahrung handelt. Deshalb ist dieser Artikel in der Ich-Perspektive geschrieben.
Der Mann hinter mir pfeift vor Freude. Die Sitznachbarin zu meiner Rechten klatscht eifrig, die zu meiner Linken regt sich kaum. Hinter mir höre ich empörte Kommentare. Der Vorhang ist gefallen — und das Publikum offenbar gespalten. Die einen toben vor Begeisterung, die anderen vor Enttäuschung. Ich selbst bin unentschlossen.
Ich nehme den Kinnhaken meiner Kritik schon mal vorweg: Wer klassisches Ballett nach dem Vorbild von Rudolf Nureyev und Margot Fonteyn erwartet, der kann jetzt aufhören zu lesen — darauf musste ich zwei Stunden vergeblich hoffen. Stattdessen fand ich mich in einem Universum aus Jazz Dance, Modern Dance und Hip-Hop wieder, das mir als Meisterwerk des modernen Balletts verkauft wurde.
Zugegeben, die tänzerische Leistung war annehmbar und zeugte von einiger Erfahrung auf der Bühne. Doch echtes Können — in Form von präziser Fußarbeit und synchronen Bewegungsabläufen — habe ich auf der Bühne nur sporadisch entdecken können. Dabei ist mir schleierhaft, ob diese Umstände nun der Choreographie von Jean-Philippe Dury oder der Inkompetenz der Tänzer zuzuschreiben ist.
Dabei fing alles so gut an: Wie es sich fürs Ballett gehört, rieselten Tschaikowskis Klassiker nicht als CD-Wiedergabe aus den Boxen auf mich herab, sondern schallten aus dem Orchestergraben zu mir hinauf. Zugegeben: Es dauerte einige Minuten, bis mir dieser Umstand klar wurde — die Aufführung war meisterhaft und von einer Studioaufnahme kaum zu unterscheiden.
Meine anfängliche Freude über die Live-Musik wurde aber schnell von der Inszenierung getrübt. Zwar zeugten Kostüme und Bühnengestaltung von einer Liebe zum Detail und einem Auge für Verspieltheit, doch die technischen Innovationen der Aufführung schienen mir überflüssig: Als Protagonistin Clara auf ihrer Reise durch das Reich der Schneekönigin war, wurden wurden transparente Stäbe — symbolisch für den Schnee — von der Bühnendecke herabgelassen. Auf denen wurde eine Lichtshow inszeniert, die tanzende Schneeflocken darstellen sollte. Eine schöne Idee, hätte die Installation nur meinen Blick auf die Tänzer nicht verdeckt. Ihre Aufführung war hinter den Stäben und dem Licht kaum noch zu erkennen.
Dabei saß ich schon recht nah an der Bühne. Von meinem Platz in der Mitte des Parketts (Reihe 8) konnte ich nicht nur den Dirigenten, sondern auch die gesamte Vorführung mühelos ansehen. Regulär hätte ich dafür 70 Euro zahlen müssen (als Journalistin wurde ich von der Oper jedoch eingeladen). Die hohen Kosten leuchteten mir schnell ein, als alle Akteure zur Verneigung auf die Bühne traten: beinahe 150 Leute hatte es gebraucht, um diesen Abend zu ermöglichen. Allein das Orchester nahm mehr als die Hälfte der Bühne in Anspruch.
Allein für diese Manpower bin ich gewillt zu klatschen. Auch, wenn ich sonst viel zu meckern hatte — und da war ich nicht die einzige. Schon in der Pause wurde aufgeregt über das Können der Tänzer und die langatmige Erzählung diskutiert. Meist mit unzufriedenem Ergebnis. In der zweiten Vorstellungshälfte war das Publikum deutlich unruhiger, doch am Ende entschließe ich mich wie die meisten anderen, dem Ensemble durch Klatschen seinen Respekt zu zollen. Wenn auch nicht sonderlich eifrig.
Fazit: Die Aufführung „Der Nussknacker“ in der Oper Leipzig kann ich nicht empfehlen, zumindest nicht als Ballettaufführung. Die künstlerische Leistung lässt mich unbeeindruckt, ebenso die Gestaltung der Show selbst. Für das Preis-Leistungs-Verhältnis habe ich noch Verständnis, aber nur ob des fabelhaften Orchesters.